Das ist ein Thema, dass mich schon seit meiner Kindheit beschäftigt.
Schule war für mich ein extrem unangenehmes Thema. Ich war schon immer ein Freigeist und so habe ich es eher akzeptiert körperliche Strafen einzustecken als eingesperrt zu sein.
Freiheit bezog sich für mich auf eine ungezwungene Gestaltung meiner Interessen, als Kind bin ich am liebsten am Bach gewesen oder saß auf irgendeinem Baum. Hauptsache ich war Draußen ob alleine oder mit anderen, egal zu welchem Wetter - Draußen das war Freiheit für mich.
In der Schule fühlte mich mich eingesperrt und isoliert von dem was ich als Frei, als Glücksbringens empfunden habe.
Das war auch einer der Gründe warum ich bereits in der 3 Klasse anfing zu schwänzen. Gut ich muss hier erwähnen, bis zur 3 Klasse war ich auch selten am Unterricht beteiligt, aber das hat andere Gründe (wer mehr wissen will, hier der Link zu meiner Geschichte:
https://jobrisha.blogspot.de/p/gegen-gewalt.html).
Auf jeden Fall war die Schule für mich sehr schwierig. Durch meinen Autismus und meinem Viele Sein (mehr dazu auf Jobrisha) war ich anders als andere Kinder. Ich war ein Aussenseiter und ich war extrem schüchtern und distanziert. Andere Kinder waren mir nicht geheuer.
Auf jeden Fall beschloss ich mit etwa 9 Jahren, dass es viel schöner ist, auf dem Spielplatz der Schaukel zu sitzen und dabei zu träumen. Sobald die Kirche 12 Uhr schlug, stand ich dann auf und ging nach Hause.
Ich war also eine notorische Schwänzerin, die nur hin und wieder die Schule besucht hat, um einem Polizeibesuch aus dem Weg zu gehen. Ansonsten hatte ich eine Oma die mir eine Entschuldigung schrieb.
Diese Schulfreie Zeit habe ich trotzdem produktiv genutzt. Ich habe Staudämme gebaut, bin auf Bäume geklettert und habe mir über das Leben Gedanken gemacht, ich habe alte verstaubte Bücher gelesen und mich für Politische und Gesellschaftskritische Themen interessiert. Und ich habe sehr früh angefangen Märchen und Geschichten zu schreiben.
So wusste ich schon mit ca 11 Jahren über unser Politisches System bescheid und mit knapp 12 Jahren hab ich das erste mal gestreikt, als mein Vater auf die dämliche Idee kam in die DDR zu ziehen. Er war kein Kommunist, sondern eher ein krimineller Rechtsextremer der sich hinter dem Kommunismus verstecken wollte.
Ich sagte ihm ganz klar meine Meinung und ich weiß noch, wir haben Stunden diskutiert, am Ende brüllte er nur noch, aber ich blieb dabei. Mich bekommt niemand lebend in dieses mir völlig unfreie Land. Noch heute bin ich überrascht, dass ich meinen Vater dazu brachte seine Idee wieder zu verwerfen. Das war einer der wenigen Momente, dass ich ihn mit guten Argumenten wieder zur Vernunft brachte.
Hätte ich damals erfahren, das 40 Jahre später Deutschland sich Richtung Polizeistaat bewegt wie damals die DDR, ich hätte es niemals geglaubt, sonst hätte ich meinem Alter mit ziemlich ängstlichen Augen entgegen gesehen.
Ich habe übrigens trotzdem ein Hauptschulabschlusszeugnis erhalten, weil der Konrektor unserer Schule unser direkter Nachbar war und er mich von klein auf kannte. Ich denke er war einer der wenigen Menschen, der mich richtig einschätzen konnte. Denn wir haben uns oft über alle möglichen Themen unterhalten - außerhalb der Schule.
Der Hauptschulabschluss ist auch so ziemlich das einzige Schulzeugnis das es von mir gab. Ansonsten hab ich mich im wahrsten Sinne durch das Leben gemogelt, indem meine Eignungsteste gut ausfielen und ich deshalb auch später Studieren konnte, ganz ohne Abitur.
Mit etwa 30 Jahren erfuhr ich von meiner hohen emotionalen Intelligenz, den normalen IQ kann man bei mir nicht messen (sagte man mir damals) weil ich als Autist nur in Teilbereichen einen höheren IQ vorweisen konnte als ein nicht Autist. Ich bin also Inselbegabt.
Einen IQ für Autisten gab es damals noch nicht. Ich habe also keine Ahnung wie hoch mein IQ in Wahrheit ist. Ich habe auch kein großes Interesse einen Test nach zu holen, obwohl das mittlerweile auch für Autisten möglich ist. Es ist mir nicht wichtig genug..
Wer mehr zu dem Thema wissen möchte, ich habe unten einen Link zu einem Artikel eingefügt.
Nun aber zurück zur Schule.
Mit der Geburt meiner Tochter, kam das alte Schulthema wieder auf. Meine Frau und ich haben uns relativ früh schon darüber unterhalten und wir waren beide unterschiedlicher Meinung. Für Britta war es wichtig das unsere Tochter eine ganz normale Schule besucht. Sie dachte damals noch, das ein Kind lernen muss sich anzupassen. Bernie, der Papa unserer Tochter war mit ihr einer Meinung.
Das war so ziemlich der einzige Unterschied in unserer Vorstellung von Erziehung/Schule usw. Hier wurde unsere unterschiedliche Kindheit sichtbar. Britta hat eine ganz normale Grundschule besucht und nach der Grundschule ist sie auf eine katholische Privatschule gewechselt.
Es gab Noten und Anpassungen und Leistung usw. Das Ganze Programm das ein Kind auf eine angepasste Zukunft vorbereitet.
Diese Art von Schule wäre bei mir absolut nicht möglich gewesen. Hätte ich Eltern gehabt die mich Richtung Leistung erzogen hätten, sie wären an mir gescheitert und zwar richtig heftig.
Statt dessen hatte ich gewalttätige, missbrauchende Eltern, die kein Interesse an meiner Ausbildung hatten. Meine Zukunft war ihnen egal.
Brittas und meine Vorstellung einer Schulischen Erziehung gingen so weit auseinander wie es nur möglich war und trotzdem gab ich es auf meine Frau überzeugen zu wollen, ich hoffte darauf, dass unsere Tochter sie überzeugt und so kam es dann auch.
Unsere Tochter kam mit fast 7 Jahren in die erste Klasse, einer ganz normalen Regelschule.
Ich hatte mit meiner Frau abgemacht: "Ich werde mich nicht um schulische Leistungen bemühen, Hausaufgaben usw. sind ihr Part".
Natürlich ist es nahezu unmöglich sich ganz aus dem Thema Schule herauszuhalten, vorallem wenn das Kind morgens weinend vor einem steht und darum bittet zuhause bleiben zu dürfen, weil es Bauchschmerzen, oder Halsschmerzen, oder Kopfschmerzen, oder Rückenschmerzen hat.
Und so kam es dann auch wie es kommen musste.
Bereits nach 3 Monaten wollte Shaya nicht mehr in die Schule. Sie mochte zwar ihren Lehrer, aber sie verstand sich weder mit den Kindern noch fand sie den Unterricht toll. Shayas Interesse galt der Natur, sie wollte mehr über das Leben wissen, wie was wuchs und warum Lebewesen sterben. Wie was auf dieser Welt passiert. Mathe und Deutsch gaben ihr nicht die Antworten nach denen sie suchte und Stundenlange Hausaufgaben waren ein Gräuel für sie.
Ich glaube bereits nach einem Jahr begriff Britta das unser Kind nicht für eine Regelschule geschaffen war. Aber ich hielt mich so gut es ging zurück, was nicht einfach war. Weil mir unsere Tochter leid tat, denn sie musste erst erleben wie verrückt unser Schulsystem in Wahrheit ist, bis ihre Mama verstand das diese Grundschule unser Kind krank machte und zwar Psychisch krank.
Aus heutiger Sicht war es ein Glücksfall, dass wir aus privaten Gründen von Hessen nach Niedersachsen zogen.
Hier war dann für uns beide klar, Shaya kommt auf keine Regelschule mehr.
Britta war mittlerweile nur noch genervt von der Schule und ihren Anforderungen an unser Kind.
Als Alternative gab es hier nur eine Waldorfschule und jetzt nach 2 Jahren wissen wir, es war die richtige Entscheidung. Shaya geht gerne zum Unterricht, sie liebt es zu werkeln, zu bauen und zu pflanzen. Sie ist in der Schule viel in ihrer geliebten Natur und auch der Unterricht ist spannender, weil die Naturfächer in den normalen Hauptunterricht miteinfließen. Und zuhause liebt sie den PC als Ausgleich.
Das einzige womit sie Problem hat, sind die Hausaufgaben. Von meiner Seite aus, muss sie die nicht machen. Ich schreibe ihr auch eine Entschuldigung wenn sie eine Hausaufgabe mal "vergisst". Ich bin da ganz locker.
Nun zur Überschrift:
Was ist besser, eine freie Schule, eine private oder gar keine Schule?
Ich finde die Waldorfschule ist eine gute Alternative, allerdings mit Einschränkungen. Denn auch hier werden Hausaufgaben verteilt und Regeln verlangt. Je nach Lehrer kann es in einer Waldorfschule recht streng zugehen. Nicht jedes Kind ist dafür geeignet.
Das gleiche gilt jedoch auch für eine freie Schule, nicht jedes Kind hat den Impuls völlig freie - ohne Vorgaben - Entscheidungen für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Selbst lernen, Selbst erleben ohne Eingriff eines Erwachsenen. Nicht jedes Kind kann das.
Es kommt somit immer auf die Individualität des Kindes an. Wie ist mein Kind? Mit was beschäftigt es sich?
Kann es sich alleine beschäftigen? Ist es Flexibel und Neugierig unterschiedliche Werkzeuge alleine auszuprobieren? Ist es in der Lage alleine Entscheidungen zu treffen, oder braucht es den Input von Erwachsenen?
Shaya wäre wahrscheinlich in einer freien Schule überfordert gewesen. Sie braucht den Input neue Dinge auszupobieren, von sich aus tut sie es nicht. Meine Tochter ist introvertiert und sehr auf das fixiert, was sie bereits kann.
Und wenn sie etwas neues ausprobiert, dann höchstens am PC, den sie mit ihren 10 Jahren schon so gut wie ich bedienen kann.
Aus dem Grund war die Waldorfschule für sie die richtige Schule.
Eine andere Alternative wäre, wenn es keine Schulpflicht gäbe.
Dann wäre keine Schule das bessere Modell, denn sie lernt gerne neue Dinge auf ihre Art, sie schaut sich Wissenssendungen an und erzählt gerne über das was sie herausgefunden hat.
Sie speichert auch gut Themen die sie visuell aufgenommen hat. Sie lernt durch Zuschauen und praktisch ausprobieren nicht durchs Lesen - da ist sie wie ich.
So interessiert sie sich zur Zeit für alte Berufe wie die Kesselflickerei und konnte uns heute im Auto einiges darüber erzählen, auch über die jeweiligen Sitten und Gebräuche der Kesselflicker.
Ich bin Ambivalent, was die Schule betrifft (, nicht was die Schulpflicht angeht - die lehne ich ab). Einerseits ist sie ein Seegen für die Kinder, die kein geborgenes Zuhause haben und die Schule dafür nutzen, um sich wenigstens in der kurzen Zeit des Unterrichts sicher von gewaltvollen Eltern zu fühlen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, ein Kind das kein beschützendes Zuhause hat, wird auch in einer Schule scheitern, die nur auf Leistung ausgerichtet ist.
Spätestens mit einsetzen der Pubertät sind diese Kinder auf sich alleine gestellt. Dann wird auch der Lehrer zum Feind.
Eine Pflicht ist auch immer ein Zwang. - Was allgemein bei mir ein Unbehagen auslöst. Kinder sollten nicht zu etwas gezwungen werden, was gegen ihre Individualität als Mensch gerichtet ist.
Es gibt keinen Menschlichen Einheitsbrei. Wir sind alle unterschiedlich. Wir sind auch keine Marionetten oder Zinnsoldaten, die man hin und her bewegen und verstellen kann wie man mag.
Ich glaube dass ein Kind immer lernen will - doch dazu braucht es das nötige auf das Kind zugeschriebene Equipment.
Es gibt Kinder die wie meine Tochter visuell wahrnehmen und durch die praktische Erfahrung lernen. Sie schauen sich Wissensendungen an, lernen durch direkter Umsetzung und weniger durch Auswendiglernen. Shaya ist Legasthenikerin und hat auch eine Dyskalkulie. Sie kann mit Mathematik erst dann was anfangen, wenn sie Zahlen praktisch einsetzt.
Sie lernt durch Erfahrung.
Und ich bin davon überzeugt, dass das die beste Lernmethode für Kinder ist.
Durch Erfahrungen lernen sie kritischer mit Dingen umzugehen, kritischer zu denken und zu handeln. Sie erfahren sich SELBST.
Eine Schule wie die Waldorfschule hat eine gute Mischung aus normalen Lernstoff und praktischen Erfahrung des normalen Lernstoffs.
Das ist das eine was ich an der Waldofschule mag. Das zweite ist das Wegfallen von Noten und Sitzenbleiben.
Es macht Kinder freier wenn sie keinem Notenzwang unterworfen sind.
Ich glaube auch das Kinder leichter lernen, wenn es hier keinen Leistungszwang gibt.
Das dritte wichtigste ist:
Schule für Freude machen. Es gibt nichts schlimmeres für Kinder und "gute" Eltern, wenn das Kind unglücklich zur Schule gehen muss und genauso unglücklich nach hause kommt.
Mir als Mutter hat das wirklich Sorgen bereitet und ich sag es mal so, wenn Eltern hier kein Mitgefühl für ihre Kinder aufbringen können, dass stimmt was mit den Eltern nicht und nicht mit dem Kind.
Ich bin sicher, gäbe es die Schulpflicht nicht, gäbe es bei uns auch keine Schule... zumindest würde meine Tochter teilweise auf Schule verzichten, oder nur dann zur Schule gehen, wenn ihr der Lernstoff zusagt.
Es wäre für alle beteiligten einfacher, wenn es nur noch Schulen gäbe, die Kurse anbieten, so hätte jedes Kind individuell die Möglichkeit das zu lernen was Freude macht.
Jetzt werden sicher viele einwerfen: "Ja aber im Beruf... ".
Mit einem freien Schulrecht, würden sich auch Berufe ändern, sie würden sich an den Schulen anpassen. Ich bin sicher, das Problem mit den Noten würde genauso wegfallen, wie das Problem mit der Berufsfindung.
Hier würden sich andere Möglichkeiten auftun, zum Beispiel: Ein Beruf nach der Individualität des Schulabgängers. Fragen wie: "Wo liegen deine Interessen, welche Kurse hast du besucht.. usw." würden an erster Stelle stehen. So würde jemand der z.B. Mathematik als Interessensgebiet hat auch einen Beruf wählen, der sich mit dem Thema Mathematik auseinander setzt. Und jemand der Kreativ ist, würde Maler oder Fotograf werden.
Da bereits Erfahrung in den einzelnen Kursen zusammenkommen, ist eine Berufsfindung nicht mehr so schwer.
Als Fazit: es kann nur zufriedene Kinder geben, die in einem zufriedenstellenden Umfeld aufwachsen und es kann nur zufriedene Erwachsene geben deren Berufliches und Privates Umfeld zufriedenstellend ist.
Wenn man sich überlegt wieviel Menschen mittlerweile an Burn Out und anderen Psychischen Erkrankungen leiden, dann braucht es einen anderen Ansatz.
Ein freies Schulrecht (Jedes Kind hat das Recht auf eine Schule) hört sich doch viel besser und schöner an als eine Schulpflicht (jedes Kind muss eine Schule besuchen).
Das wünsche ich unseren Kindern für die Zukunft, das ihre Individualität zum Menschenrecht wird.
Und den Eltern sage ich:
Ganz egal ob ihr euch für eine freie Schule oder eine Waldorfschule entscheiden, entscheidet euch für die Individualität eure Kinder!
Grüße von der Jo
https://autismus-kultur.de/autismus/bildung/lernstil-visuell-raeumlich.html
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