Dienstag, 29. Mai 2018

ICH bin ein glücklicher einsamer Mensch

Wir umgeben uns mit Türmen, Mauern und Zäunen um ein Gefühl von Sicherheit zu haben, doch in Wahrheit entfernen wir uns damit ein Stück von unserem Menschlichen Erbe - die Suche nach der Gemeinschaft zu Anderen.

Im Laufe meines Lebens habe ich unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht. Als Kind fühlte ich mich sowohl einsam ohne Menschen als auch einsam mit Menschen. In der Gegenwart Kinder wie Erwachsener war ich unsicher. Ich war linkisch in meinen Bewegungen, lieber schwieg ich, als etwas falsches zus sagen. Ich war ein unsicheres, gehemmtes Kind. Später dann als Teenager fühlten sich gerade Jugendliche zu mir hingezogen, die diese Ruhe in mir positiv fanden. Ich habe mich vor einigen Jahren mit ein paar ehemaligen Freunden von mir unterhalten, ich fragte: "Wie habe ich auf euch gewirkt damals".
Es war sehr spannend, jeder sagte: "Du warst so ruhig, dir konnte man Geheimnisse anvertrauen und du hast mich so angenommen wie ich war, ohne mich verändern zu wollen."

Das ich in Wahrheit einfach viel zu schüchtern war, um mein Temperament laufen zu lassen, dass war niemanden bewusst. Einige waren überrascht über meine heute Extrovertiertheit, mein Temperament und meine direkte Art auch unangenehme Themen anzuschneiden. Als Kind und Jugendliche hätte ich mich das nicht getraut.

Ich habe erst wirklich zu mir selbst gefunden, als ich anfing meine Einsamkeit zu lieben. Das mag merkwürdig klingen, aber irgendwann wehrte ich mich nicht mehr dagegen, mich einsam zu fühlen in der Gegenwart anderer. Mit Mitte 30 suchte ich dann vielmehr als Ausgleich die Möglichkeit mich anders zu öffnen, ohne direkten Kontakt, aber dennoch mit der Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu bleiben. Das Internet gab mir diese Möglichkeit. Ich konzentrierte mich auf Foren und Webseiten und später dann auf Blogs.

Dort konnte ich meine Gedanken äussern, ohne direkte Kritik von anderen zu hören, ohne anstrengende Diskussionen was ich hätte besser machen müssen. Ich konnte mich frei bewegen, in den Räumen die ich mir selbst schuf.

Meine Matrix ist das Schreiben. Früher habe ich Blatt und Stifte dazu gebraucht und ich habe mich selbst immer wieder beobachtet und zensiert. Mein Schriftbild war furchtbar, also habe ich Seite um Seite herausgerissen und alles neu geschrieben. Manchmal brauchte ich Tage um endlich den Satz zu schreiben, der mir vom Schriftbild gefiel. Meine Hefte wurden dünner und oft war ich frustriert, weil ich einfach nicht weiter kam. Ich konnte nicht so schnell schreiben wie meine Gedanken dachten.

Durch meine Frau lernte ich den Umgang mit dem Medium PC.
Ich fing noch mal eine Ausbildung als Bürokauffrau an und lernte das Blindschreiben.
Und ab da veränderte sich meine Art der Kommunikation mit mir selbst.
Ich arbeitete mich in ein Programm für Webseiten ein und gestaltete meine erste eigene Webseite, meine ersten Foren und zuletzt meine Blogs.

Hier bin ich hängen geblieben. Ich fühle mich hier wohl in meinen Blogs, zu unterschiedlichen Themen, unterschiedlichen Gedanken, zu unterschiedlichen Zeiten.

Wenn ich mich beschreiben könnte, nur das Wesentliche, dann würde ich sagen:
Ich bin eine schreibende Frau.

Ich schreibe Täglich, mehrere Stunden. Schreiben ist meine Identifikation. Während ich schreibe, lernst du mich kennen, Stück für Stück kehre ich mein Inneres nach Außen und mache mich dadurch sichtbar. Ich werde Mensch unter Menschen, während ich in Freude Einsam bin.

Ich bin gerne alleine, hier zuhause auf dem Bett erlebe ich die Welt durch meine Gedanken. Ich lasse sie einfach fließen und da ich mittlerweile sehr schnell schreiben kann und meine Gedanken nicht mehr durcheinander strömen wie Züge auf Duzenden von Gleisen, erlebe ich mich auch selbst ruhig und gelassen, während meine Finger über die Tastatur fliegen.

Ich meditiere während ich schreibe und meinen Text lese und habe nicht das Gefühl meine Finger kontrollieren zu müssen, sie tun das was sie tun und ich denke das was ich denke und ich lese was ich lese.

Das ist eine Art meiner Kontemplation. Ich vertiefe mich in jeden einzelnen Buchstaben, reihe sie zu einem Wort zusammen, das durch weitere Wörter zu einem Text wird der Sinn ergibt.

Als ich blind schreiben lernte, ließ ich einfach Buchstabe für Buchstabe wiederholen, ein ganzes Blatt voller A. oder B. Mal klein, mal groß, mal im Wechsel. Das hat mich damals fasziniert. Einfach ungezwungen in die Tastatur hauen und überrascht sein, was dabei herauskommt.
So ist das heute noch, wenn ich denke halte ich meine Gedanken nicht fest, ich lasse sie fließen und eine meiner Übungen ist, einfach das was ich denke zu schreiben, ohne Zensur.
Ich gehe einfach meinen gedachten Impulsen nach.

Schreiben ist mein Leben. Schreiben hat mich Selbstbewusst gemacht, es hat mir die Möglichkeit gegeben meine Meinung offen auszusprechen. Kritik zu üben, zu hinterfragen, zu antworten. Kontakt zu machen zu anderen Menschen.

Und durch Facebook fing ich an Freundschaften aufzubauen. Durch die Distanz des Mediums Internet konnte ich Nähe fühlen.
Endlich war meine Kontaktfähigkeit nicht mehr nur auf das Schreiben alleine beschränkt.
Ich fand Freunde die mich wirklich in Natura kennen lernen wollten.

Meine Türme brachen in sich zusammen, meine Mauern fingen an zu bröckeln und meine Zäune verschwanden.
Manche Freunde leben sehr weit von mir entfernt, ich mag es, wenn man sich nicht täglich sieht.
Manche Freunde leben in der Nachbarschaft und mussten erst verstehen lernen, dass ich meinen Freiraum brauche.
Ich suche die Einsamkeit, ich brauche die Einsamkeit.

Für mich ist das Einsame keine Isolation, sondern vielmehr eine Inspiration.

Viele Menschen sehen in der Einsamkeit einen Mangel am nicht Erlebten.

So geht es mir nicht. Ich erlebe keinen Mangel, wenn ich meine Gedanken niederschreibe. Für mich ist es erfüllend. Ich fühle mich kreativ und wach. Das Internet bietet mir an, an Orte zu reisen, Geschichten zu erleben und Meinungen zu bilden.

In Japan z.B. ist diese Art von Isolation weit verbreitet. Sie nennt sich: Hikikomori und bedeutet: Gesellschaftlicher Rückzug. Jugendliche die den Druck in der Gesellschaft nicht aushalten, schließen sich in ihrem Zimmer ein und reduzieren den Kontakt auf ein Minimum. Was in Japan meist eine Protesthandlung ist, um den Gesellschaftlichen, familiären und Schulischen Druck in der Familie zu umgehen. Ist für mich eine Art von geistiger Reinigung.

Natürlich gehe ich auch raus, das tägliche Einkaufen, der Alltag mit meiner Familie, einmal die Woche treffe ich mich mit einer Freundin zum Gitarrenspielern und natürlich gibt es noch unsere "Kommune" - eine befreundeten Familie mit denen wir uns zum Frühstücken oder Abendessen treffen.

Ich bin also nicht so isoliert wie ein Hikikomori.
Aber ich könnte mir auch vorstellen, eine Weile nur mit meiner Familie zu sein und sonst niemanden. So wie früher als wir noch abgeschiedener lebten. Da gab es nur meine Frau und meine Neugeborene Tochter und hin und wieder traf uns unsere Freundin oder die Großeltern von Shaya. Und sonst gab es niemanden.

Ich bin kein Einsiedler, aber auch kein Herdentier.
Kontakt ist mir wichtig. Ich brauche den Input anderer. Aber ich brauche auch meinen Rückzugsraum, meine Insel.

Ich denke ich bin ein glücklicher einsamer Mensch. Denn oft erlebe ich mich trotz direkten Kontakt fremd in der Gegenwart anderer Menschen. Ich denke dieses Fremde wird immer Teil meiner Selbst sein. Ich bin eine Autistin.

Ich habe gelernt es zu akzeptieren...

Ich bin anders.
Und das ist gut.




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