Samstag, 7. Juli 2018

Ich weiß es besser...


Die Nachrichten machen mich Depressiv.
Es wäre gut alles abzuschalten, auf andere Gedanken zu kommen, mich abzulenken.
Aber das ändert nichts daran das Dinge geschehen.
Das Menschen sterben und ihre Helfer dafür ins Gefängnis müssen. Das die Grenzen dicht sind. Es ändert nichts an der Trauer die über den Meeren liegt.


Ich fühle mich so hilflos, Machtlos, so mittendrin, trotzdem Teil des ganzen Systems. Und ich will das nicht. Ich will mich von all dem distanzieren. Ich verabscheue all die jenigen die das gut finden, was gerade passiert.

Es ist furchtbar zu begreifen wie hardherzig und egoistisch die Menschen sind, die den Mord im Mittelmeer befürworten. Mich macht das Ganze nicht mehr wütend, sondern traurig. Es greift meine Seele an.

Mit jedem braunen Wort zerbricht ein weiteres Stück Menschlichkeit.
Unsere Geschichte hat uns nun eingeholt.
Die alten Narben reissen auf.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen in der man nach einem neuen Hitler rief aber gleichzeitig sagte man hätte von nichts gewusst. Meine Oma hatte Bilder von ihrem Mann und Verwandten in stolzen Uniformen und mit der Hand zum Heil ausgestreckt. Und mein Vater hat seinen Vater deswegen verehrt. Er bewahrte Pistolen auf und Degen die er an die Wand hängte. In einer Schublade lagen die alten Orden, die er immer mal wieder polierte. Wir sind in Angst aufgewachsen, denn manchmal stolzierte er wie ein Irrer durch die Gegend, die Hände hinter den Rücken gefaltet. Mein Vater wurde hin und wieder zu der Verkörperung des Mannes den er verehrte und ich bin mir nicht sicher, ob es sein Vater war oder Hitler.

Ich hab es nie verstanden wie so was sein kann, das meine Oma als Kind draussen auf der Strasse stand, eine Fahne wehte und mitansah wie ihre kleine jüdische Freundin abtransportiert wurde. Und trotzdem hat sie lange Jahre behauptet sie hätte nichts gewusst.

Das hat zum ersten Bruch zwischen uns geführt. Dieses "Nichtwissen". Als ich sie um Hilfe bat weil mein Vater immer verrückter wurde und wir alle um unser Leben fürchten mussten,  und sie sagte sie wüsste von nichts..

Meine Oma hat sich umgedreht und sich die Ohren zugehalten und in mir waren Gefühle zu zerbrechen. Aber ich bin nicht zerbrochen, auch dann nicht als mein Vater mich töten wollte. Ich habe all das überlebt.

Jetzt da sich unsere Geschichte wieder über uns ergießt erlebe ich erneut wie Menschen anfangen zu ignorieren. Es gutzuheissen das Menschen sterben, getötet werden.
Es ist kaum auszuhalten für mich - die Meinung der Anderen.
Der Befürworter, der offenen Rechten. Es fehlt nur noch das Fahnenschwingen und der Heilsgruss.

Mich macht das depressiv denn ich hab nicht mehr die Kraft einer 16Jährigen mit offener Wut und erhobenen Fäusten zu reagieren und laut zu brüllen: "Ich hasse euch und euer nicht wissen. Eure Ignoranz, euren Egoismus. Da draußen krepieren Kinder und ihr schlürft euren scheiß Kaffee und glaubt der Bildzeitung die von Schleppern berichten. Ich hasse euch!!!"

Ich fühle mich Ohnmächtig dem ganzen hier ausgeliefert. Ohnmächtig mitansehen und fühlen zu müssen, dass Menschen um ihr Leben kämpfen müssen, während Europa darauf wartet das sie im offenen Meer krepieren.

Was macht das mit uns?
Und mit unseren Kindern?
Wird auch dieses Kapitel menschlichen Versagens in den Geschichtsbüchern stehen und werden unsere Enkel uns fragen wie wir das zulassen konnten?
Und wird irgendwann ein Denkmal im Mittelmeer stehen, als Erinnerung an die Kinder, Frauen und Männer die ertrunken sind, weil niemand sie retten durfte.

Deutschland lebt nun schon so lange in Erinnerung an das Leid der Juden.
Nun sind noch Andere dazu gekommen, Namenlose Menschen. Andere Erinnerungen.

Ich habe es gewusst. Ich weiss es und es hat mich fertig gemacht.
Das werde ich meinen Enkelkindern sagen. Egal was irgendwann in den Geschichtsbüchern stehen wird.

Ich weiss es besser...


RIP den Namenlosen die im Mittelmeer gestorben sind, weil keiner ihnen half.
Ich denke an euch und ihr werdet nie vergessen sein. Das verspreche ich.

4 Kommentare:

  1. ...was da passiert traumatisiert jeden von uns. keiner kann das einfach so wegstecken- daß da überall mord passiert.das kann man nur leben- indem man sich spaltet- es in seiner gänze zu fühlen wäre unaushaltbar....

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    1. Ich habe auch wirklich damit zu kämpfen... spalten, ja. Anders geht es gerade nicht. Danke für deine Worte.

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  2. ...ich glaube wir können nichts für die flüchtlinge tun- wir können uns nur dagegen wehren, daß man uns damit traumatisiert....und somit ist den flüchtlingen geholfen- denn wenn jeder fühlt was da passiert- kann keiner mehr zusehen- und im eigenen interesse niemand mehr zulassen- was da passiert. lg sabine

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    1. DANKE Sabine... <3 ich hoffe eines Tages denkt und jeder wie du! Herzlichst die Jo

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