Sonntag, 8. Juli 2018

Religiöse Kinder


Der Buddhismus begleitet mich jetzt seit fast 30 Jahren mal mehr oder weniger intensiv und ich kann sagen, er ist mir in meiner schwersten Stunde begegnet, hat mich durch die vielen Höhen und Tiefen meines Lebens geführt und mir gezeigt was Bedingungslosigkeit, Losslassen und Erwachen bedeutet. Durch ihn habe ich die Bedeutung von Freiheit erst wirklich begriffen.

Nach all den Jahren kann ich heute sagen, gäbe es den Buddhismus in meinem Leben nicht, so gäbe es auch keine tiefen Erkenntnisse meiner eigenen Person. Der Buddhismus hat mich geöffnet.

Also eine Ode an den Buddhismus.

Und gleichzeitig hat er mir gezeigt wie unnötig das festhalten an irgendeiner Religion ist, wenn du erkannt hast, dass du selbst die Religion bist, die du lebst.

Heute kann ich also ganz klar sagen, DEN Buddhismus gibt es nicht, es gibt nur das was du daraus machst und egal was du daraus machst, am Ende deines Weges bist du wieder dort angekommen wo du ihn begonnen hast - bei dir selbst und so nackt und ungeschminkt wie du nur sein kannst

- Wenn du Buddhismus wirklich verstanden hast und lebst.

Leider ist es in Europa so, dass du bereits als Kleinkind durch Rituale in die Religion deiner Eltern eingeführt wirst.

Im Christentum durch Taufe. Im Judentum und im Islam durch Zugehörigkeit der Mütter/Eltern. Wenn eine jüdische Frau ein Kind gebärt ist es automatisch Jude. Im Islam ist es so, wenn der leibliche Vater Moslem ist, ist es das Kind auch. Im Hinduismus spielt die Kaste noch eine Rolle. Erst durch die Geburt in einer Kaste, kann man Hinduist werden. Hindus glauben, dass die Kaste dem Menschen aufgrund des Karmas zugewiesen wird. Eine Kaste ist vergleichbar mit einem Gesellschaftlichen Stand.

Eine eigene Entscheidung für oder gegen eine Religion gibt es hier nicht.

Die Kinder haben sich oft nach den Eltern zu fügen.

Ich halte das für falsch.

Wir sollten unseren Kindern die Freiheit lassen und vorallem auch die Zeit lassen, selbst entscheiden zu dürfen, zu welcher Religion sie sich zugehörig fühlen oder ob sie gänzlich auf eine Religion verzichten.

In vielen Religionen, so auch im Buddhismus, entscheiden andere über den Weg des Kindes, die Wahl das zu ändern, nehmen nur wenige Kinder und Jugendliche wahr. Auch in Zeiten in denen Religion allgemein kontrovers diskutiert wird, entscheiden sich erst Erwachsene ob und inwieweit sie den Traditionen folgen wollen.

Es sind nicht nur die Eltern die hier Entscheidungen treffen, auch eine Gesellschaft entscheidet darüber. Hier in Deutschland sind es die einzelnen Bundesländer die so katholisch geprägt sind, dass sogar Ämter und Schulen religiös sind. Kreuze hängen an den Wänden, die Bibel steht über der Naturwissenschaft, religiöse Inhalte werden vorgeschrieben. Das macht sich besondern in Bayern bemerkbar.
Hier hat das Christentum eine Lücke gefunden, es Kindern schmackhaft zu machen, sich in der christlichen Religion zurecht zu finden. Mit Bibelgeschichten und christlich geprägten Freizeitaktivitäten bekommen Kinder das Gefühl dazuzugehören. Somit wird die deutsche Gesellschafts zu einer religiösen Gesellschaft.

Und die wenigsten wissen beides voneinander zu unterscheiden.

Der Buddhismus, der Hinduismus und der Islam gehen hier gänzlich andere Wege. Erwachsene bleiben gerne unter sich. Kinder werden nur bei den großen Festen gesehen. Wie z.B. das Vesakh Fest, den Buddhisten auf der ganzen Welt feiern. Das Vesakh Fest erinnert an die Geburt, die Erleuchtung (Nirwana) und das vollkommene Verlöschen (Parinirvana) des Buddha Siddhartha Gautama und damit seinen Austritt aus dem Kreislauf der Wiedergeburt (Samsara).

In den asiatischen Ländern wird es bunt und laut gefeiert und auch hier in Deutschland gibt es einzelne buddhistische Gemeinschaften die das Fest veranstalten. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit diesen buddhistischen Feiertag wirklich zu würdigen.

Ich muss dazu sagen, ich hab es nicht so mit Feierlichkeiten, meistens sind es mir zu viele Leute, zu laut und zu gezwungen fröhlich.

Ich habe gerade mal geschaut - in Hamburg gab es im Juni einige Aktivitäten. Buddhistische Schulen trafen zusammen und haben gemeinsam das komplette Wochenende gefeiert, mit Musik und Meditation.
In vielen Religionen gibt es Familienfeste, so auch im Buddhismus, dem Islam, dem Hinduismus. Ein reines Kinderfest als solches gibt es jedoch nicht.

In dem Sinne geht das Christentum durch kindgerechte Freizeitaktivitäten einen großen Schritt voraus, allerdings liegt die Begründung darin, auf diesen Weg genug neue Christen als Mitglieder zu gewinnen, das Hauptaugenmerk sind junge traditionelle Familien. Die Mutter-Vater-Kind Konstellation gilt immer noch als Vorzeigeoption. Zwar werden homosexuelle Familien mittlerweile auch geduldet, aber in Wahrheit sind wir noch ganz weit von einer Akzeptanz entfernt. Somit ist es gewollt, dem Kind von klein auf ein Gefühl des Willkommenseins zu geben, denn nur dann ist die Chance sehr groß, dass es als Erwachsene in der Kirchengemeinde bleibt.


Im Buddhismus gibt es keine richtige Willkommensfeier, noch gibt es Imitativen die dich anwerben. Der Buddhismus baut auf Eigeninitiative auf. Wenn du Interesse hast, wirst du dich den einzelnen Gruppen anschließen, bzw. deinen Weg zum Buddhismus finden. Und dazu braucht es keine Werbung. Es wird dich auch niemand mit Handschlag und große Rede begrüßen, du bist einfach da und wirst als Mitglied dieser Religion akzeptiert.

Die Frage die nun in mir auftaucht: Brauchen Kinder Religion?

Meine Antwort ist ganz klar ich denke nicht. Kinder brauchen ihre Eltern, sie brauchen Vorbilder. Sie brauchen eine Gemeinschaft. Vorbilder verändern sich mit der Zeit, ein Vorbild kann alles sein, von der Mutter, dem Vater, Großeltern, bis zum Lehrer.
Natürlich kann es auch ein Pfarrer sein, aber meistens ist es eher ein naher Verwandter, zumindest in der früheren Kindheit und später sind es die Freunde die eine Wichtigkeit haben.

Kinder brauchen die Gewissheit Information erhalten zu können, über die Welt, über Religionen, über Biologie, Physik, die Erde, den Kosmos. Meine Tochter ist in einem Buddhistisch philosophischen Umfeld aufgewachsen. Der Buddhismus ist Normalität in ihrem Leben. Aber er streift sie nur, genau wie das Christentum. Shaya selbst ist Religionslos. Und sie hat auch momentan kein Interesse das zu ändern.

Sie will lernen und erleben, ohne Zwang, ohne Gott, Jesus und ohne Buddha. Diese Entscheidung hat sie uns mit 5 Jahren mitgeteilt und auch mit 10 Jahren hat sich daran nichts verändert. Sie will frei sein und das finden wir richtig und gut.

Aber sie freut sich wie bolle, dass in der fünften Klasse nun endlich auch andere Religionen ihren Weg ins Klassenzimmer finden, unter anderem der Buddhismus.

Shaya und ihre Klassenkameradin Wihra (Namen geändert) sind buddhistisch aufgewachsen. Wihra kommt aus Thailand und ist durch ihre Mutter mit dem Buddhismus verbunden.

Das wird bestimmt sehr spannend für die beiden Mädchen, endlich über die Religion erzählen zu dürfen, die sie kennen.

Vielleicht liegt es an meiner eigenen Einstellung zur Religion, dass sie frei ist zu gehen wohin sie gehen möchte. Ich habe ihr die Ethik des Buddhismus vermitteln können. Das ist das was am Ende einer Religion übrig bleibt, wenn man zurück schaut in seine Kindheit.

Und ich wollte das Shaya versteht das alles mit einem selbst zu tun hat. Jeder Gedanke, alles was man tut, hat letztendlich eine Konsequenz.

Wenn Shaya traurig ist, holt sie sich selbst immer wieder die Weisheit im Buddhismus, indem sie  ihre Trauer hinterfragt und sich dann nach einer Weile eingesteht, dass sie an der Situation nichts ändern kann, nichts kontrollieren kann. Das manche Dinge so sind wie sie sind.
Man kann einem Kind Religion vermitteln, ohne es zu binden, leider ist der Buddhismus die einzige Religion die es verstanden hat Kinder (zumindest außerhalb von Asien) diesen Freiraum zu lassen.

Was ich sehr schade finde...

Mein Tip an alle Eltern:
Wenn ihr Religiös seid, dann lebt es in der Familie. Seid das was ihr lebt. Seid Barmherzig, lebt die Nächstenliebe. Zeigt euren Kinder das Religion frei sein darf.

Aber gebt ihnen die Möglichkeit selbst zu entscheiden. Sie können auch als Erwachsene noch getauft werden, wenn sie das selbst wollen.
Es heißt ja nicht das man am Religiösen Leben nicht Teilhaben kann als Kind, weder im Christentum, noch in einer anderen Religion gibt es die Vorschrift Kinder aus dem religiösen Leben auszuschließen, wenn sie selbst nicht der Religion angehören.
Sie sind Teil von euch, euren Genen, eurem Dasein, eurem Zuhause, eurem Leben.

Glaubt mir sie werden viel interessierter sein und viel Gläubiger als ihr es vielleicht seid, wenn sie selbst entscheiden durften, mit euch als ihren Begleitern, ihren Beschützern, in eurer Geborgenheit.

Und bitte nehmt es ihnen nicht übel, wenn sie sich letztendlich für einen anderen Weg entscheiden, denn wie schon Khalil Gibran sagte:



Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch, und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und er spannt euch mit seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein; denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran
(geb. 1883 gest. 1931) libanesisch-amerikanischer Dichter
(aus: Der Prophet)

 
Herzliche Grüße von der Jo
















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