Samstag, 14. Juli 2018

Die Tür zur anderen Seite





Wir leben in Räumen, voller instrumentalisierender Gegenstände. Wir haben uns daran gewöhnt, und mit ihnen den Gegenständen zu entwickeln. Wir tragen sie bei uns, wir hauchen ihnen Leben ein. Wir geben den Materiellen mehr Aufmerksamkeit als dem Immateriellen, dem wirklichen Leben.
Wir leben in diesen Räumen die wir uns selbst geschaffen haben und der Blick nach Draußen durch das Fenster, ist die Welt der Anderen, der Fremden.

Die Realität wird eingesperrt und festgekettet in genau diesen Räume mit ihren Erinnerungen, ihren Gedanken, ihren Empfindungen.

Dabei ignorieren wir die Türen, durch die wir hindurch gehen können. Wenn wir einmal den Mut besessen haben die Türen zu öffnen, hindurchzublicken, erkennen wir die Weite, die Freiheit, die Endlosigkeit. Unser Blick wird dann von nichts aufgehalten werden, keine Mauer, keine Zäune.

Und doch werden wir die Türen wieder schließen, weil wir Angst haben, Angst vor dem Ungewissen, Angst vor den Monstern die uns erscheinen mögen, die dort hausen tief in unserem Gedanken. Wir haben von ihnen gelesen, wir haben sie sogar selbst gesehen, sie erlebt, wir haben ihre Haut berührt und uns von ihnen berühren lassen. In den Räumen die wir uns geschaffen haben, sind diese Monster nicht zuhause. Dort draußen jedoch, hinter den Türen, in dieser Weite, in dieser Ferne, dort könnten sie lauern und auf uns warten.

Und deshalb ist die Tür gefährlich.

Wir geben also den Monstern aus unserer Phantasie, aus unserer Vergangenheit mehr Macht, als dem Wissen um die Freiheit, dem Wissen um die Weite ohne Mauern, Grenzen und Zäune.

Weil wir die Monster kennen.

Aber das Freie, das hinter der Tür zur anderen Seite liegt, das kennen wir nicht.
Wir haben uns mit schönen Dingen bestückt, Haarreifen aus puren Gold, Ringe die voller Edelsteine sind, und Puppen in seidenen Gewändern. Sie liegen in Schachteln und sitzen auf Sofas. Die wir mit Samt bezogen haben.
Dort hocken wir dann zwischen all dem Tand und trinken aus feinsten Porzellan unseren Morgentee.
Wir glauben wirklich, dass es ausreicht wenn die Sonne durch unsere Fenster scheint und der Mond die Räume in silbernes Licht taucht, wir glauben das die Geborgenheit dieser Zimmer uns die Geborgenheit im Inneren gibt, in der wir leben bis zu unserem Lebensende.

Wir glauben das die Welt dort draußen nicht unsere Welt ist, wir damit absolut nichts zu tun haben. Denn wir haben unsere eigene Welt geschaffen.

Aber dem ist nicht so.
Denn die Tür existiert, genau wie das Fenster, das uns Blicke ermöglicht.

Wir glauben wirklich wir hätten mit jedem Blick aus dem Fenster und der Tür die Möglichkeit zu Urteilen, zu Werten, weil wir denken,  dass uns nur dieser eine Blick die absolute Klarheit beschert. Aber der Tag vergeht und ein neuer Tag kommt, und der Blick nach Außen wird dunkel und hell, aber er verändert sich nur langsam, weil es immer der gleiche Blick ist. Denn unser Haus steht fest und auch der Raum ist nicht bewegbar. Nur wir haben die Möglichkeit unseren Horizont zu verändern, indem wir nach Draußen gehen. Mitfühlen, Mitriechen, Mitsein.

Aber solange wir den Monstern in unseren Gedanken und Erinnerungen mehr Macht geben als der Seele die frei sein will, wird die Freiheit eingeschränkt sein, durch ein kleines Fenster nach Draußen.

Ich möchte Neugierig auf Mehr sein und diese Neugierde bewahren, denn sie hat mehr Wert als all meine Heiligtümer. Ich möchte Fenster und Türen weit öffnen und hinaustreten in die Unsicherheit und mit nackten Füßen den Boden erkunden. Und Pflanzen berühren von denen ich dachte sie seien Giftig. Ich will den Monstern erneut begegnen und an ihnen vorbei laufen, lachend und sie hinter mir lassen für immer.

Ich will rennen und stolpern und wieder aufstehen. Die Freiheit genießen, und auch den Schmerz und die Angst. Denn all das ist da um gelebt zu werden. Ich möchte mich umdrehen und meinem Haus mit den sicheren Räumen und Mauern und Zäunen einen letzten Blick zuwerfen. Mich erinnern und es dann Vergangenheit sein lassen. .

Und weiter gehen, weiter gehen. Weiter gehen in eine Ungewissheit. Mit der Neugierde eines Kindes möchte ich das Leben erkunden, mit einer Lupe und einem Wasserglas.

Und wenn ich nicht mehr Barfuß laufen kann, dann möchte ich um die Schuhe anderer bitten, auf das ich ihre Schritte fühlen darf.

Und erst dann wenn ich genug gewandert bin, in den Schuhen dieser Fremden, erst dann kann ich werten und urteilen.

Erst dann bin ich wirklich frei.



Foto: Meine Tochter vor ihrem Zimmerfenster.





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